Sie hält die 35 Fäden zusammen

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Anna Scholz ist einerseits Teil einer Zertifizierungsstelle des Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS, andererseits ist sie aber auch als Planerin bei der EK Energiekonzepte AG in Projekte eingebunden. Im Interview spricht sie über den Vorteil der Doppelfunktion, Themen, die die Fachwelt beim SNBS beschäftigen und was sie an der Arbeit fasziniert.

  1. Anna Scholz, Sie arbeiten bei einer Zertifizierungsstelle, sind aber auch Planerin. Fluch oder Segen?
    Ich habe schon den Eindruck, dass es für die Prüfungen hilft, dass ich weiss, wie Prozesse auf der Baustelle, aber auch bei den Planungsverfahren ablaufen. Da ich den Prozess kenne, erkenne ich als Mitwirkende bei der Zertifizierungsstelle bereits früh einige Fragen, die Antragstellende später haben werden. Es ist aber natürlich auch eine Herausforderung, streng zu bleiben und im Sinne vom SNBS die Prüfung durchzuführen.
  2. Gibt es Punkte, die aktuell für mehr Diskussionen sorgen?
    Die gibt es sicher. Das eine sind beispielsweise die Punkte zur Vorbereitung: Wie wird das Projekt überhaupt aufgestartet? Ist es ein Wettbewerb nach SIA-Norm oder ist es ein freies Wahlverfahren für Planende? Wer beurteilt dort welche Kriterien? Das sind Punkte, die die Projektbearbeitenden schon stark hinterfragen. Für die neuen Anforderungen fehlt entsprechend das Feeling. Da kommen Fragen auf bezüglich des Aufwands, der dafür notwendig ist. Beispielsweise hat sich beim Mikroklima der Umgang mit Wasser deutlich verändert. Der Nutzen wird nicht immer verstanden.
  3. Wie schaffen Sie es, die Fäden zusammenzuhalten? Es sind ja doch 35 Kriterien.
    Von der zuständigen Person erhalten wir bei der Zertifizierungsstelle alle Unterlagen und prüfen diese auf die Vollständigkeit und Inhalte. An dieser Stelle haben wir wenig Koordinationsaufwand. Wenn ich das Ganze als antragstellende Person bearbeite, wird es heisser, denn da muss man den Projektteams ziemlich hinterher sein, damit bis zum Zeitpunkt der Zertifizierungsprüfung alles bereit ist. Das ist schon eine grosse Challenge! Dinge wie die Baueingabe oder Kosten haben für die zuständigen Personen öfter eine wichtigere Stellung. Wir versuchen, sehr früh im Projekt präsent zu sein und den Projektteams immer wieder aufzuzeigen, welche Unterlagen wir benötigen.
  4. Das klingt zu Beginn anstrengend …
    Am Anfang braucht es schon viel Durchhaltevermögen. Sind wir von Beginn an präsent, wird vielen bewusst, was dieses Label wirklich bedeutet und welchen Aufwand es mit sich bringt. Aber auch, welche Chancen es mit sich bringen kann. Das funktioniert sehr gut. Früh präsent zu sein, ist entscheidend. Später ist es viel schwieriger. Wenn wir erst anmerken, dass wir eigentlich noch eine Fassadenbegrünung benötigen, die Fassade aber schon fertig ist, wird es sehr kompliziert.
  5. Wie nehmen Sie den Wert des SNBS-Labels bei den Bauherrschaften wahr?
    Das ist eine schwierige Frage. Es gibt viele Stiftungen oder Genossenschaften, denen ist der Sinn des Labels sehr wichtig. Dann gibt es andere, für die ist es lediglich ein Punkt in einem Leitfaden, der abgearbeitet werden muss. Mitunter ist es aber auch eine sehr schöne Arbeit, Leute, die noch nicht so davon überzeugt sind, zu überzeugen, dass sich die Nachhaltigkeitswerte wirklich positiv auf die Projekte auswirken, auch bezüglich der wirtschaftlichen Aspekte.